Negativ visualisieren,
um Positives zu erreichen?
Norman Vincent Peale (1898 - 1993) war ein amerikanischer Geistlicher und Verfasser einer Reihe von Lebenshilfebüchern.
Eines seines bekanntesten Bücher war
Die Kraft des positiven Denkens.
Das ist über siebzig Jahre her.
Damals erhielt er von den Verlagshäusern eine Absage nach der anderen.
Deprimiert zerknüllte er das Manuskript, und warf es in den Papierkorb. Er sagte seiner Frau, dass sie es ja nicht wieder herausholen solle!
Das tat sie auch nicht.
Am nächsten Tag brachte seine Frau den Papierkorb mit dem darin befindlichen Manuskript zu einem Verleger - welcher es akzeptierte!
Das Buch wurde zu einer Art "Bibel" der Persönlichkeitsentwicklung. Es wurde in 47 Sprachen übersetzt, und über 20 Millionen Mal verkauft.
Heute erscheinen uns manche seiner Ratschläge vielleicht etwas altbacken, oder gar amüsant. Dennoch ist das Buch lesenswert; es enthält eine grundlegende Wahrheit:
In einem großen Maße schaffen wir unsere Welt durch unser Denken selbst.
Viele unserer persönlichen Erfolge und Leistungen beginnen damit, dass wir an ihr Gelingen und Erreichen glauben!
Aber ...
unsere Ziele zu erreichen, bedeutet nicht, dass wir dann glücklich und zufrieden wären.
Warum?
Weil der Mensch nie zufrieden ist.
Sein Wünschen und Streben ist unersättlich.
Die Psychologen haben dafür einen Begriff:
Die hedonische Tretmühle
(abgeleitet vom griechischen : Freude, Vergnügen, Lust)
Die meisten Menschen stecken in einer solchen Tretmühle: Wir mühen uns ab, um unsere Ziele zu erreichen. Dann geht das eine Weile gut - und danach melden sich neue Wünsche zu Wort (siehe auch
Maslowsche Bedürfnispyramide).
Beim nächsten Mal soll es also noch ein bisschen besser (oder mehr) werden.
Und so kann unser Leben leicht zu einer Serie unerfüllter Wünsche werden.
Wir wollen ...
- mehr Einkommen
- mehr Status,
- ein besseres Auto
- ein größeres Haus
- weiter reisen
- eine strammere Bauchmuskulatur
- vielleicht sogar einen anderen Lebenspartner ...
Eine inspirierende Unzufriedenheit hat ja auch ihr Gutes; immerhin kann sie uns motivieren, weiterzumachen.
Aber ein ständiges Gefühl des Mangels führt zu einer inneren Anspannung.
Zu einer Art Existenzangst.
Es untergräbt unser Wohlbefinden und macht uns zu Miesepetern.
Doch es gibt Abhilfe:
Diese kommt von den alten
Stoikern und nennt sich
negative Visualisierung
Hierbei geht es um Folgendes:
Sie stellen sich jeden Tag vor, dass Sie das verloren hätten, was Ihnen am meisten am Herzen liegt.
Stellen Sie sich zum Beispiel vor,
- dass Sie Ihre Arbeit nicht mehr machen könnten,
- oder dass Ihnen das Haus weggepfändet würde
- oder dass Ihr Herzblatt verstorben wäre
- oder dass Sie blind geworden seien
- oder dass Sie keine Beine mehr hätten ...
Das klingt ganz schön hart, nicht wahr?
Die Stoiker waren offenbar keine Zimperlinge.
Sie wussten, dass alles im Leben nur eine Leihgabe ist.
Ausnahmslos alles kann von einer Minute auf die andere aus unserem Leben wieder verschwinden!
Epiktet erinnert uns zum Beispiel daran, dass uns unsere Kinder "für die Gegenwart, nicht für immer" gegeben wurden.
Sein Rat: Wenn du dein Kind küsst, denke daran, dass es morgen bereits sterben könnte.
Vom römischen Philosophen
Seneca stammt der Rat, jeden Tag so zu leben, als sei er unser letzter.
Damit sagt er nicht, dass wir verantwortungslos leben sollten, sein Rat bezieht sich auf unsere geistige Grundeinstellung.
Die meisten von Ihnen, die diesen Artikel jetzt lesen, dürften bereits viele der Träume leben, die Sie irgendwann in der Vergangenheiit hatten.
Doch ist Ihnen dies auch bewusst?
Dieser Beitrag soll dazu beitragen, wieder etwas wacher zu werden, zu schätzen, was Sie bereits alles haben!
Sie mögen nun einwenden, dass negative Visualisierung ja schön und gut für Leute sei, die glücklich, zufrieden und wohlhabend sind, was aber ist, wenn jemand wirkliche Probleme hat?
Auch dann funkioniert diese Methode!
Falls Sie arbeitslos geworden sind, stellen Sie sich vor, dass es wesentlich schlimmer hätten kommen können; Sie hätten Ihr gesamtes Hab und Gut verlieren können.
Falls dies der Fall sein sollte, stellen Sie sich vor, dass Sie Ihre Angehörigen hätten verlieren können.
Und falls dies geschehen ist, stellen Sie sich vor, dass Sie Ihre Tage verkrüppelt und bettlägerig verbringen müssten.
Es dürfte Ihnen kaum so schlecht gehen, dass es nicht auch noch hätte schlimmer kommen können. Vielleicht wollen Sie in diesem Zusammenhang auch den Artikel über die
Lotterie des Lebens lesen, der Ihnen sicherlich eine realistischere Perspektive Ihrer Situation vor Augen hält.
Vor Rückschlägen ist keiner von uns gefeit. Wenn wir uns die Berichte von Flutkatrastrophenopfern, Überlebenden von Erdbeben oder anderen Naturkatastrophen anhören, ist immer wieder zu hören, dass diese Leute bei all dem Leid, das sie durchgemacht haben, jetzt dankbarer denn je dafür sind, dass sie überhaupt am Leben sind.
Wir brauchen uns solche Katastrophen nicht zu wünschen; es kommt genug auf uns zu, ohne dass wir uns darum bemühen.
Und bis dahin hilft Ihnen die Übung der negativen Visualisierung, denselben wohltuenden Dankbarkeitseffekt zu ereichen!
Diese Übung macht uns die Vergänglichkeit der Dinge wieder bewusst und paradoxerweise werden Sie sich danach lebendiger, wachsamer und präsenter fühlen.
Norman Vincent Peale hatte also nur zur Hälfte recht.
Positive Visualisationen helfen Ihnen dabei, das zu erhalten, was Sie sich wünschen.
Negative Visualisationen helfen Ihnen, das zu wünschen, was Sie erhalten haben.