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Selbstverwirklichung
nach Abraham Maslow
Nach Selbstverwirklichung strebende Menschen sind keineswegs " perfekt", wir alle haben mehr oder weniger harmlose Angewohnheiten, die nicht immer ideal sind: Auch der Selbstverwirklicher ist mal gereizt, gelangweilt, dickköpfig oder sagt/tut etwas Dummes.
Meist sind Selbstverklicher an äußeren "Zerstreuungen" wenig oder gar nicht interessiert. Gesellschaftlicher Schnickschnack bringt ihnen nichts, was bei Otto Normalverbraucher oder Emma Normalverbraucherin vielleicht auf Unverständnis stößt.
Abraham Maslow merkte in diesem Zusammenhang folgendes an:
Es gibt keine perfekten menschlichen Wesen! Man kann durchaus Menschen finden, die gut sind, sehr gut sogar oder brilliant. Es gibt Schöpfer, Seher, Weise, Verursacher und Veränderer. Das gewährt uns sicherlich Hoffnung für die Zukunft der Menschheit, wenngleich außerordentliche Menschen eher selten sind und nicht dutzendweise auftreten.
Und da auch diese Menschen zuweilen irritierend, lauenhaft, egoistisch, zorning oder deprimiert sind, müssen wir zunächst unsere Illusionen über sie aufgeben.
Nach Abraham Maslow sieht der "Steckbrief" des selbstverwirklichten Menschen so aus:
Klarere Wahrnehmung der Realität
Diese Fähigkeit zeigt sich vor allem in einer außergewöhnlichen Begabung, das Unrechte, Falsche und Unehrliche in einem Menschen zu entdecken und ganz allgemein Menschen besser beurteilen zu können.
Auch in Kunst und Musik, auf intellektuellem Gebiet, in wissenschaftlichen Fragen, hinsichtlich politischer Maßnahmen und bezüglich öffentlicher Angelegenheiten scheinen Selbstverwirklicher imstande zu sein, die verborgene Realität rascher und richtiger als andere erkennen zu können.
Akzeptanz der eigenen Person
Selbstverwirklicher plagen sich weder mit übermächtigen Schuldgefühlen herum noch leiden sie an ungesunden Scham- oder extremen Angstgefühlen.
Diese psychisch gesunden Menschen sind imstande, ihre eigene menschliche Natur mit stoischer Gelassenheit zu akzeptieren.
Das heißt nicht, dass sie selbstzufrieden seien. Eher könnte man sagen, dass sie die Gebrechlichkeiten, Schwächen und Mängel der menschlichen Natur ebenso hinnehmen, wie man beispielsweise die Naturgesetze als gegeben hinnimmt.
Spontaneität und Natürlichkeit
Selbstverwirklicher sind in ihrem Verhalten und in ihren emotionalen Reaktionen meist spontaner als Durchschnittsmenschen. Ihr Wesen ist von Schlichtheit und Natürlichkeit getragen. Künstlichkeit und Effekthascherei sind ihnen fremd. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie in ihrem Verhalten durchgäng unkonventionell wären.
Dass konventionelles Verhalten ein Mantel ist, der sehr leicht über den Schultern des Selbstverwirklichers hängt, und dass sich dieser Mantel leich ablegen lässt, wird deutlicher an der Tatsache, dass es der Selbstverwirklicher der Konvention nur selten gestattet, ihn zu behindern.
Der Grund dafür liegt darin, dass Selbstverwirklicher ethische Normen haben, die autonom und individuell, und nicht konventionell sind.
Der oberflächliche Beobachter könnte leicht glauben, dass Selbstverwirklicher keine ethischen Grundsätzen hätten, da sie nicht nur über Konventionen, sondern auch über Gesetze hinwegzusetzen scheinen, wenn es die Situation erforderlich macht.
Doch das genaue Gegenteil ist der Fall.
Sie haben von allen Menschen die eindeutigsten Grundsätze, auch wenn ihre Ethik nicht zwangsweise dieselbe ist wie die der meisten anderen Menschen.
Lösungsorientierung
Selbstverwirklicher sind im allgemeinen stark auf Probleme außerhalb ihrer selbst eingestellt. In der geläufigen Terminologie sind sie somit lösungs- und nicht ich-orientiert. Im Gegensatz zum verunsicherten Menschen, der ständig Nabelschau betreibt, nimmt der Selbstverwirklicher an den Problemen seiner Mitmenschen teil.
Selbstverwirklicher haben meist eine Aufgabe im Leben, auf die sie einen Großteil ihrer Zeit und Energie verwenden.
Allgemein ließe sich sagen, dass sich Selbstverwirklicher mit jenen Grundfragen und ewigen Problemen befassen, die wir als philosophisch oder ethisch einordnen könnten.
Solche Menschen stehen im allgemeinen über den Dingen und kommen den Bäumen offenbar so nah, dass sie den Wald nicht mehr sehen.
Sie sind in ihren Wertvorstellungen großzügig und nicht kleinlich, sie denken global und nicht lokal, in Begriffen des Jahrhunderts und nicht des Augenblicks. Sie sind also in dem ein oder anderen Sinne Philosophen. Die Tatsache, dass sie über den Dingen stehen, einen weiten Horizont haben und weitblickender sind als der Durchschnittsmensch, dass sie im weitestmöglichen Bezugsrahmen leben und sich primär mit den ewigen Menschheitsfragen befassen, hat für ihr Leben allergrößte soziale und zwischenmenschliche Konsequenzen.
Objektivität und Bedürfnis nach Privatheit
Auf Selbstverwirklicher trifft weitgehend zu, dass sie ohne Schaden alleine und ohne Unbehagen für sich selbst sein können.
Sie ziehen das Alleinsein und Privatheit dem Trubel des Gesellschaftslebens vor.
In den meisten Situationen halten sie sich aus dem allgemeinen Getümmel heraus und lassen sich auch von den Erfahrungen, die anderen Menschen Stürme verursachen, nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Es fällt ihnen leicht, reserviert, ruhig und heiter zu bleiben. Daher ist es ihnen auch möglich, persönliches Unglück anzunehmen, ohne überzureagieren. Sie behalten ihre Würde auch in einer unwürdigen Umgebung, was zum Teil davon herrühren mag, dass sie sich grundsätzlich auf ihre eigene Beurteilung der Situation verlassen und nicht von der Meinung Außenstehender abhängig machen.
Selbstverwirklicher besitzen darüber hinaus die Fähigkeit, sich in einem für gewöhnliche Menschen nicht üblichen Maße zu konzentrieren. Intensive Konzentration führt aber auch zu der Fähigkeit, abzuschalten und die Außenwelt zu vergessen. Daher verlieren Selbstverwirklicher auch in schweren Zeiten nicht das Vermögen, tief zu schlafen und einen gesunden Appetit zu entwickeln.
Autonome, sich selbst verwircklichende Menschen sind aber auch fähig, sich selbst zu beherrschen; sie sind überdurchschnittlich verantwortungsbewusst, selbstdiszipliniert und entschieden in ihrem Handeln und somit nicht manipulierbar.
Unabhängigkeit von Kultur und Umwelt
Eine wesentliche Eigenschaft sich selbstverwirklichender Menschen ist ihre Unabhängigkeit von der physischen und sozialen Umwelt.
Da sie von einer Wachstums-, und nicht von einer Mangelmotivation, angetrieben werden, sind Selbstverwirklicher hinsichtlich ihrer Hauptbefriedigungen nur bedingt von ihrer Umwelt oder von anderen Menschen abhängig.
Diese Unabhängigkeit von der Umwelt beinhaltet auch eine außerordentliche Stabilität angesichts harter Schicksalsschläge, Entbehrungen, Frustrationen und ähnlicher Erfahrungen. Autonome Menschen können eine unglaubliche Gelassenheit selbst noch inmmiten von Umständen aufrecht erhalten, die andere Menschen zum Selbstmord treiben könnten.
Ausgeprägte Beziehungsfähigkeit
Selbstverwirklicher sind in tiefere und wertvollere zwischenmenschliche Beziehungen eingebunden als andere erwachsene Menschen.
Sie sind zu einer intensiven Bindung und Liebe, weiterreichender Identifikation und einer radikaleren Aufhebung der Ich-Grenze fähig als andere Menschen.
Allerdings sind sie hinsichtlich der Wahl von Freunden und Liebespartnern sehr wählerisch: Menschen, mit denen sich nach Selbstverwirklichung strebende Menschen verbinden, sind meistens ebenfalls um Selbstverwirklichung bemüht. Aus diesem Grund unterhalten Selbstverwirklicher nur mit wenigen Menschen eine tiefere Beziehung. Ihr Freundeskreis ist klein. Da eine tiefe zwischenmenschliche Beziehung Pflege, das heißt viel Zeit erfordert, gelangen sie zu der Überzeung: Für viele Freunde habe ich keine Zeit.
Schließlich sei noch auf einen Punkt hingewiesen, der Selbstverwirklichern zuweilen Kummer bereitet: die Bewunderung gewisser "Verehrer".
Menschen, die andere überragen, haben häufig viele Bewunderer, ja sogar "Adepten". Diese Bewunderer werden in der Regel mehr verlangen als der Selbstverwirklicher zu geben bereit ist. Außerdem kann eine solche Art von Verehrung Verlegenheit bereiten, mitunter sogar peinlich sein. Deshalb trachten Selbstverwirklicher danach, sich derartige Verehrer möglichst vom Leibe zu halten.
Demokratische Charakterstruktur
Selbstverwirklicher sind in ihrer Charakterstruktur demokratisch. Sie sind allen Menschen gegenüber, ungeachtet Klasse, Erziehung, politische Überzeugung, Rasse oder Hautfarbe, freundlich.
Tatsächlich scheinen sie oft gewisse äußerliche Unterschiede gar nicht wahrzunehmen, die anderen Menschen wichtig erscheinen.
In ihrer demokratischen Haltung setzen sie sich über solche äußeren Umstände einfach hinweg. So lernen sie beispielsweise von jedem gern, der etwas zu lehren hat, ungeachtet anderer Eigenschaften, die ein solcher Mensch gegebenfalls haben mag. In einer solchen Lernbeziehung versuchen sie nicht, irgendeine äußere Würde, einen Status, ein Prestige oder ähnliches aufrecht zu erhalten.
Es ist Selbstverwirklichern ohne Pose möglich, ehrlichen Respekt oder auch Bescheidenheit gegenüber Menschen zu bezeugen, die Fähigkeiten haben, die sie selbst nicht besitzen oder von denen sie etwas lernen können, das sie bisher noch nicht wussten.
So zollen sie beispielsweise einem tüchtigen Handwerker ehrlichen Respekt wie auch jedem, der auf seinem Gebiet ein Könner ist.
Nach Selbstverwirklichung strebende Menschen, die selbst durch außergewöhnliche Fähigkeiten auffallen, suchen auch ihre Freunde in der Elite, und zwar in einer Elite des Charakters und des Geistes.
Ausgeprägte sittlich-ethische Sensibilität
Selbstverwirklicher sind stark ethisch motiviert. Sie haben definitive sittliche Normen, was dazu führt, dass sie meistens richtig handeln.
Abrahman Maslow verweist im übrigen darauf, dass man die Selbstverwirklicher noch vor wenigen Jahrhunderten als Menschen bezeichnet hätte, die auf Gottes Pfaden wandeln. Die meisten verstehen unter der Metapher "Gott" eine metaphysische Wirklichkeit, die alles durchdringt.
Somit sind Selbstwirklicher in ihrem Verhalten zwar "religiös", jedoch nicht im Sinne einer dogmatischen und institutionellen Religion, wie sie von den konventionellen Konfessionen im allgemeinen gelehrt und praktiziert wird. Dogmatischen "Gläubigen" könnten sie sogar als Atheisten erscheinen.
Anpassungswilligkeit
Selbstverwirklicher sind keine Konformisten im naiven Sinne des Billigens der jeweiligen kulturellen Wertvorstellungen.
Zwar lehnen sie Konventionen nicht grundsätzlich ab, doch meist zeigen dem Kulturkreis gegenüber, in dem sie leben, eine gewisse Distanz.
Auch in Bezug auf Kleidung, Sprache und andere Äußerlichkeiten sind Selbstverwirklicher häufig nicht konformistisch; allerdings sind sie auch nicht modisch, schick oder adrett. Da die Wahl ihrer Schuhe oder Frisur für nicht nicht von primärem Belang ist, reagieren sie auf solche Zwänge nur mit einem Achselzucken. Gesellschaftliche Extravaganzen sind für sie nicht von Interesse.
Einige Zitate von Abraham Maslow:
- "Solange Sie sich mit weniger begnügen als mit dem, wozu Sie fähig wären, werden Sie den Rest Ihres Lebens unglücklich sein!"
- "Man kann rückwärts in Richtung vermeintliche Sicherheit oder vorwärts in Richtung Wachstum gehen. Für Wachstum muss man sich immer wieder aufs Neue entscheiden. Ängste müssen immer wieder erneut überwunden werden."
- "Ein Musiker muss Musik machen, ein Maler muss malen, ein Dichter muss schreiben, nur so kann mit sich im Reinen sein. Was der Mensch sein kann, muss er werden."
- "Wenn Ihr einziges Werkzeug ein Hammer ist, werden Sie jedes Problem als einen Nagel betrachten."
- "Das Leben ist ein ständiger Prozess des Entscheidens zwischen Sicherheit und Risiko. Entscheiden Sie sich tagtäglich ein Dutzend mal fürs Wachsen!"
- "Der einzige Rivale sind die eigenen Möglichkeiten. Das einzige Scheitern ist die Nichtwahrnehmung der eigenen Möglichkeiten. In diesem Sinne kann jeder Mensch König bzw. Königin sein und ist auch so zu behandeln."
- "Damit der Mensch sich ändern kann, muss er seine Bewusstheit von sich selbst verändern."
- "Ich kann mich wegen meiner Vergangenheit schuldig fühlen, ich kann Angst vor der Zukunft haben, aber in der Gegenwart bin ich zum Handeln aufgerufen. Die Fähigkeit, in der Gegenwart zu leben, ist ein wesentlicher Bestandteil der geistigen Gesundheit."
- "Eine erstklassige Suppe ist besser als ein zweitklassiges Gemälde."
- "Wir haben Angst vor unseren höchsten Möglichkeiten (und auch von den niedrigsten). Meistens jagt uns das, was wir in lichten Augenblicken erspähen können, einen Heidenschrecken ein".
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